Keith Flint RIP 1969 – 2019

Keith Flint RIP 1969 – 2019

Keith Flint RIP 1969 – 2019

Jenseits von Gut und Böse

Eine Tattoo-Ikone ist von uns gegangen. Eine musikalische zudem. Eine sehr umtriebige und beredsame. Zitat 1: „Ich will jede Körperstelle piercen oder tätowieren. Wenn möglich, beides.“ Zitat 2: „Wenn Leute mich furchteinflößend finden, dann scheiß auf sie.“ Ein kompromissloser Mann, das drückt sich auch auf seinen Tätowierungen aus, von denen er reichlich hat. Die Rede ist von dem letzte Woche durch Freitod verstorbenen Keith Flint, dem Sänger und Tänzer der legendären Band „The Prodigy“.

Sein durch unzählige Tattoos veredelter Körper war so etwas wie das visuelle Aushängeschild der radikalen Musik von „The Prodigy“. Prodigy vermischten Techno und Rockelemente, und wurden im Jahr 1996 durch ihren ersten Hit „Firestarter“ weltbekannt.  In dem dazugehörigen Video tanzte Flint, wie ein Derwisch, expressiv und mit reißenden Grimassen. „Firestarter“, rief er dazu ins Mikro. Voller Ausdruck, das war sein Markenzeichen. Wollte man in den 90ern gegen seine Eltern rebellieren, brauchte man ihnen nur mit diesem Mann kommen, Keith Flint. Seine Haare färbte er grün und trimmte sie zu einem Daimonenschnitt. Beim Nachfolgestück „smack my bitch up“ wurden das Video und der Text noch gewaltverherrlichender, so dass es bei MTV nur spät nachts gezeigt wurde. Flint brachte den Punk in die Raveszene der 90er. Er brachte sie endgültig zum Toben. Klar, dass auch exzessiver Drogen- und Sexkonsum dazugehörten. Ihm ging es nur darum, sich selbst auszudrücken; auch wenn es hässlich ist und furchteinflößend. Flint lebte den Rock’n’Roll-Lifstyle bis an die Grenze. Zitat 3: Wenn ich – wenn überhaupt – 65 werde, möchte ich sagen können, ich habe alles getan, und zwar richtig. Ich möchte wissen, dass ich mit jeder Menge Frauen geschlafen und meine ultimativen Sexfantasien ausgelebt habe. Ich möchte wissen, dass ich mein Haar in jeder Farbe gefärbt und mir alles an meinem Körper gepierct habe, was man piercen kann. Selbst wenn all meine geliebten Tattoos dann schlaff aussehen, kann ich sagen: Ich hab’s getan.“ 49 Jahre wurde er dann schlußendlich, sein Ausstieg aus der Welt war selbstgewählt. Alles selber zu entscheiden, das war auch so eine Art Motto von Keith Flint.

Jenseits von Gut.

Seine Tattoos schlugen in dieselbe Kerbe, immer volle Kraft voraus. Sein schmerzhaftestes Tattoo, laut eigener Aussage, zieht sich über den Bauch, und heißt da: Inflicted – Zugefügt. Es steht für das Leben, und wie es in seiner ganzen Gewalt auf einen einprasseln kann. Im Guten, wie im Schlechten. In all seinem Schmerz und dem Leid, die es verursachen kann. Aber auch die Höhenflüge und euphorischen Momente, die zum Lebens dazugehören. Tribal-Tattoos auf seinem linken Arm sind Zeichen dafür, das Leben in seiner Ursprünglichkeit wahrzunehmen. Ohne wenn und aber, ohne falsche Kompromisse, Gewohnheiten und die Oberflächlichkeit des Bürgertums. Seine Tribals waren ein Bekenntnis für die Werte der Naturvölker und deren Werte. (Authentizität war bei Prodigy immer ein Thema. Erst im November 2018 veröffentlichten sie ihr siebtes Studioalbum bezeichnenderweise mit dem Titel „No Tourists“).

Auf seinem rechten Arm hatte Flint noch Tattoos von einem Totenkopf, einer Handgranate und von Rosen. Schönheit gepaart mit Gewalt und Tod. Auch die Bomben schmeissenden Flugzeuge auf seiner Brust stehen für das, was einem im Leben widerfahren kann, wenn man es exzessiv auslebt. Ständiger Kampf, ständige Auseinandersetzung – überleben im Wahnsinn.

Jenseits von Böse.

Dabei wurde Keith Flint im Alter eher ruhiger. 2006 heiratete er. Seine Frau war die japanische Djane Mayumi Kai. Die Hochzeit war sein Anker. Er selbst beschrieb, wie er dann zum englischen Gentleman heranreifte, der sich nur noch auf der Bühne auslebte, und ansonsten eher dem Laufen zugeneigt als dem Exzess zugeneigt war. Nun schlug zu guter Letzt doch das alte Temperament durch; auch weil es in der Ehe erhebliche Probleme gab, die sogar in einer Trennung mündeten. In ihm brodelte es wieder gewaltig, und irgendwie muss das Fass zum Überlaufen gekommen sein. Zuviel an Schicksal, zu viel an „Zufügung“– Keith Flint zog daraus die Konsequenz.

PS.: Auch eine Art dem legendären Sänger Respekt zu erweisen und ihn zu feiern: sich den Kopf von Keith Flint tätowieren zu lassen. So machte es kurz nach der Todesnachricht der Drum & Bass Dj Kooley.