„Beiss mich – du Schlangenzahn, mit deiner Weisheit. Gehe mir unter die Haut.“
Schlangenbiss – Tattoo-stich
Schlangen und Tattoos passen hervorragend zusammen. Wie die Tätowiernadel in die Haut, sticht (und beisst) die Schlange ihr Opfer, um diesem das Gift einzuflössen . Zugegeben, beim Tätowieren entstehen durch die Nadel schönere Motive. Und Tinte ist kein Gift. Der existenzielle Akt aber bleibt bei beiden erhalten: Schlange, wie Tätowiernadel, durchdringen die Haut ihres Objekts, und hinterlassen einen bleibenden Eindruck.
Und so finden sich zahlreiche Schlangenmotive auf den Tätowierungen der Menschen.
Mythologisch gesehen gibt es zu Schlangen viel zu sagen.
Im alten Ägypten war die Schlange ein Zeichen von Macht, die den Menschen gegenüber dem Tod zur Seite steht. In Ägypten wurde der Schlangengott Mehen verehrt, der auch oft als feuerspuckendes Schlangenwesen dargestellt wurde. Mehen war Gott der anderen Wirklichkeit, des Jenseits, der den verstorbenen König auf seiner Reise durch die Unterwelt beschützte.
Im antiken Griechenland wurden Schlangen als heilig verehrt. Und für unsterblich gehalten, da sie sich scheinbar beliebig häufig ihrer alten Haut entledigen konnten. Und in neuer gesunder Haut wiedererscheint. So sagte man Schlangen auch gewisse Heilkräfte nach, und machte sie zum Symbol für Mediziner – noch heute ist der Äskulapstab Symbol für Ärzte und Apotheker.
In der Antike war die Schlange als Symbol für Erhabenheit angesehen, fast schon mit göttlichen Eigenschaften. Gut für den Menschen, wegen der Heilkraft, schlecht, wenn sie sich, wie bei Laokoon, gegen einen wendet: Hier würgt die Python im Auftrag des Gottes Apollo den Priester Laokoon zu Tode, weil dieser den Athenern den Zugang zu Troja ermöglichte. Ganz zum Zorn des Apoll, der den Trojanern zugeneigt war. Die Schlange jedenfalls ist ein Motiv der Macht, ein Wesen vor dem ich Respekt haben muss.
Is there a snake that does not bite?
Die negative Sichtweise auf die Schlange, die Angst und Schrecken verbreitet, kam erst später mit ihrer Rolle im Christentum. Die antiken Menschen, die im echten Kontakt zu Giftschlangen geübt waren, erhoben diese zu religiöse Wesen – die Christen später stigmatisierten die Schlangen zu Verführern im Sündenfall. Die Bibel berichtet über die Schlange, wie sie Eva verführt, vom Baum der Erkenntnis zu naschen. Diese eigenmächtige Handlung entgegen dem Gebot Gottes, führt zum Rauswurf Adam und Evas aus dem Paradies. Das festigt die lebenslange Feindschaft zwischen Schlange und Mensch. Um einen Eindruck der drastischen Sprache des alten Testaments zu gewinnen, hier ein paar Original-Worte:
„Weil du Schlange das getan hast seist du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang.“ Und weiter:
„Der Mensch soll dir den Kopf zertreten und du wirst ihn in die Ferse stechen.“ (Gen 3.15)
Eine freundschaftliche Beziehung zwischen Mensch und Schlange sieht anders aus.
Snakes are desire
Nichtsdestotrotz wird durch diese Gegenüberstellung, Antike und Christentum, deutlich, wie unterschiedliche Positionen die Schlange zum Menschen einnehmen kann. Und so, ob eine Schlangen-Tätowierung sinnvoll ist oder nicht. Zumal die Schlange als Motiv immer auch eine sexuelle Komponente trägt. Nicht nur in der Mythologie gilt die die Schlange als Tier unbewußter Triebe und Kräfte, auch in der Traumdeutung bei Freud wird die Schlange mit dem Phallus assoziiert. Aber die Schlange steht auch für die Frau. Die Schlange ist sogar das Symbol für das Weibliche schlechthin. Im Tantrismus als Kundalini war die ringförmige Schlange weiblich, zyklisch und ewig, weit über sexuelle Energien hinaus. In matriarchalen Kulturen zählt die Schlange zu den meist verehrten Tieren. Aufgrund ihrer wiederkehrenden Häutung wurde ihr Unsterblichkeit zugesprochen und sie zum Symbol der erneuernden Lebenskraft erhoben. Frei nach Nietzsche kann sie durch die Häutung immer wiederkehren. So ist sie heiliges, weises und allwissendes Tier, das in enger Beziehung zur Frau steht, die ja auch wieder Leben erneut auf die Welt bringt.
Snakeskin ist Wiederkehr
Und da erscheint das Thema wieder – das was Tattoos und die Schlange so eng miteinander verbindet: die Haut. Zum Wesen der Schlange gehört es, sich zu häuten, und mit neuer Haut in die Welt zu schlängeln. Auch das Tätowieren ist ein Hauterneuerung. Mit neuem Antlitz, mit einer neu definierten Haut, schlängel ich mich durch den Großstadtdschungel. Fühle mich frei und rundum erneuert. Dieses Zeichen der Eigenmächtigkeit, dafür steht die Schlange also am deutlichsten. Für ein Tattoo eignet sich also die Schlange im zweifachen Sinne. Einmal als Symbol der Stärke, und andererseits als Bekenntnis zum Tätowieren selbst. Wie genial ist das denn!!