Was wenn einem das Motiv eines Tattoos nicht mehr gefällt?
Wie sieht denn das mit 80 aus?
Ist das nicht nur eine kurzlebige Modeerscheinung?
Tattoos haben das Image „jugendlich“, „cool“ und „trendy“ zu sein. Das mag, da sie für eine gewisse Radikalität stehen, auch stimmen. Aber nicht nur. Denn heutzutage bedeutet Alter nicht mehr, fern des modernen Zeitgeistes zu stehen – also den Dingen gegenüber abgehoben und weise zu erscheinen. Alte Menschen sagen auf einmal „fuck“, „geil“ und „abtörnend“, während „die Jugend“ das schon lange nicht mehr sagt. Heute kann man nicht mehr zwischen „jung und alt“ trennen, sondern in „interessiert (an Trends, an künstlerischen und gesellschaftlichen Strömungen, an seiner Umgebung, und der eigenen Wirkung)“, oder aber: „desinteressiert“. Daher gibt es sie heute vermehrt: die verdammt coolen älteren Leute, ob männlich oder weiblich.
Some Grannys are cooler than others.
Und für diese kommt es sehr wohl in Frage, sich ein Tattoo stechen zu lassen. Tattoos sind eine Leidenschaft, eine Kultur- und Lebensform, für die man sich entscheidet und das ganze Leben lang dahintersteht, egal was Andere sagen.
Es ist toll, wenn man zu seinen Aktionen im Leben steht. Auch zu seinen Tattoos. Denn sie sind Zeugnisse eines ganz bestimmten Lebensabschnitts, für den man sich auch später nicht schämen muss. Alles verändert sich. Auch man selbst. Es bleibt aber jedem seine persönliche Geschichte. Sich im späteren Alter mit seinen Tattoos in der Öffentlichkeit zu zeigen, zu Ihnen zu stehen, das ist cool. Sie nicht als „jugendliches“ Missgeschick zu verstecken. Tattoos können auch dann gezeigt werden, wenn sie vor langer Zeit passend schienen, nach Jahren aber als Spinnerei abgetan werden könnten; wie ein Matrosenanker, eine Meerjungfrau oder, im Extremfall, das Antlitz seiner Liebsten, die nun verflossen ist. Jugendsünde – ich verstecke nichts. Das ist ein gesundes Selbstwert-Gefühl. Tattoos von extremen Weltansichten sollte man nicht nur im Hinblick auf das älter werden jedoch vermeiden.
Oder aber man entscheidet sich noch im hohen Alter für ein gänzlich neues Tattoo. Auch wenn in den Jahrzehnten davor so etwas nie in Frage kam. Veränderung bringt neuen Wind ins Leben.
Eine Sache sollte aber zuerst geklärt werden – wie verhält sich ein Tattoo zu der sich im Alter veränderten Haut. Der Alterungsprozess der Haut verhält sich bei jedem Menschen individuell.
Der Zustand der Haut hängt von vielen Faktoren ab: Ernährung, regelmäßige Bewegung und der allgemeine Lebensstil sind hier die Haupteinflüsse für das Hautbild. Feuchtigkeit ist das A und O für die Haut. Mangel daran macht die Haut ledern, anfällig für Pigmentstörungen und Muttermale. Mit guter Hautpflege und gegebenenfalls auch innerlicher Einnahme von Coenzym Q10, dem Jugend- „Elixier“, lässt sich das Schlimmste verhindern. Grundsätzlich gilt aber, dass im Alter die Tattoos lediglich etwas verschwimmen. Ein guter Tätowierer ist da Gold wert, denn das Motiv muss sehr sorgfältig unter die Haut gestochen werden.
Tipps, wie sich Tattoos gut erhalten:
- Bei Sonne viel Sonnencreme verwenden; und ja, mit hohem Lichtschutzfaktor
- Größere Tattoos haben die Tendenz, weniger zu verwischen
- Ein gutes Tattoo hat seinen Preis. Nicht an der Qualität sparen
- Gewichtsschwankungen vermeiden
- Nie die anfängliche Pflege bei einer neuen Tätowierung vernachlässigen (beim waschen und eincremen mit Klarsichtfolie verpacken, damit sie nicht an der Kleidung reiben)
Regelmäßiges Nachstechen wirkt sich zudem positiv auf die Qualität aus.
Man ist nie zu alt für ein Tattoo
Ältere Leute mit Tattoos fallen auf. Es gibt extra Bildbände und Kunstprojekte über sie. Und auch in der Innenstadt sind sie immer öfters Hingucker und Tuschelthema. Genau das wollen, ja sollten, ältere Menschen aber auch sein. Zu Recht. Sie wollen und sollen raus aus der Rolle, die sie auf das Abstellgleis eines übertriebenen Jugendkultes stellt, der weder nach links noch rechts sieht. Manche lassen sich erst mit 80 ihr erstes Tattoo stechen. Da Tattoos immer auch persönliche Geschichten erzählen, wirken Tattoos bei älteren Leuten besonders interessant.
Im Alter kann mit einer bestimmten Wertigkeit an das Tätowieren rangegangen werden. Es ist die Chance, sich länger mit der Entscheidung für ein Tattoo Zeit lassen zu können. So dass man sicher ist, das Tattoo wird auch wirklich gewollt.
Denn die Geschichten, die in den Tattoos stecken, haben im Alter oft viel Relevanz. Man muss sich mit der Vergänglichkeit des Lebens und des Körpers auseinandersetzen, mit den Erfahrungen, die sich in einem Leben ansammeln, mit all seinen Konflikten, und deren Bewältigung. So hat sich eine ältere Dame einen Schwan stechen lassen, als Erinnerung an ihren verstorbenen Mann. Beliebt sind auch Symbole für gescheiterte Ehen, oder ähnlich einschneidende Lebensereignisse.
Ein Vorteil hat ein Tattoo im Alter allemal – nimmt die Vergesslichkeit zu, kann ein Tattoo an der richtigen Stelle den Besitzer an wesentliche Dinge erinnern. Welche Drinks bevorzuge ich eigentlich. Wie heissen die heißen Pflegerinnen mit Vornamen? Diese Dinge werden irgendwann einmal verdammt wichtig. Ganz radikal ist die Meinung, man müsse nach dem Tod aus der Haut etwas herstellen, denn der künstlerische Wert eines Tattoos sollte erhalten bleiben. Das gehört aber wohl eher in das Gruselkabinett.
„Old Man Watching Over the New Age“
Text: Julian Bachmann