Die Städte werden tätowiert. Mit Graffiti, Wandmalereien und Street Art im Allgemeinen. Die Haut der Großstadt sind ihre Häuser-Schluchten, ihre Betonflächen, ihre Holzverschalungen, auch ihre Verkehrsmittel und Industrien. Diese, und vieles mehr. Unsere Tattoos auf der Haut entsprechen dem Gedanken, dass erst dann Individualität, Kreativität und Community entsteht, wenn die Oberfläche einzigartig gestaltet wird – und so ihrem Objekt Persönlichkeit verleiht. „Die Haut ist das Tiefste“, sagte Paul Valery.
Tattoos und Graffiti sind Kunst und Kultur. Menschen hinterlassen Botschaften auf den Wänden wie auf der Haut. Graffiti gab es schon vor 30.000 Jahren als Höhlenmalereien, und auch mit Tattoos schmückten sich die ersten Menschen.
Daß Graffiti auch ästhetisch wahrgenommen werden und der Verschönerung dienen, zeigen die unzähligen Touristen in Berlin, die extra wegen der Wand- und Straßen-Kunstwerke anreisen. Diese sind durch Instagram und Co zu großer Berühmtheit geworden und sind eine Attraktion der Stadt. Auch Brands, wie zum Beispiel Sony, nutzen Street Art für Kommunikation und PR.
Wir zeigen im Anschluss eine Bilderauswahl aus Ostberlin. Mit tollen Graffiti und Kunstwerken auf Ostberliner Straßen und Wänden.
Natürlich startete die Graffiti-Szene in Ostberlin erst nach der Wende so richtig durch. Aber auch schon in der DDR gab es Street Art. So beispielsweise das Wandbild Nicaragua von Manuel Garcia Moia im Bezirk Lichtenberg, das aus Anlass des ersten Befreiungskampfs von 1979 den Stadtteil Masaya-Monimbó in Nicaragua darstellt. Doch das waren Ausnahmen. Sozialistischer Realismus war das Diktum, und nicht die Menge an kreativen Ideen einzelner Künstler.
Nach dem Fall der Mauer wurde nicht nur die Mauer selbst, sondern die ganze Stadt besprüht. Street-Art brachte West und Ost zusammen und kaschierte die Wunden in Form der vielen Häuser-Wracks. Am Ostberliner Bahnhof Friedrichstraße wurden nachts die Züge besprüht, und tagsüber, auf der Parkbank mit einem Kindl-Bier, bestaunt, wie die „Kunstwerke“ vorbeifuhren. Auch wenn Graffiti immer noch das Flair des Illegalen anhaftet, gibt es immer mehr Aufträge die Häuserwände zu „designen“. Die Politik fördert Street Art in Berlin. Das schmälert auf der einen Seite die politisch-rebellische Seite von Street Art, auf der anderen aber gewinnt Ostberlin enorm an Lebensqualität und künstlerischem Ausdruck. Das Beispiel Bansky zeigt, dass Punk und Rebellion nicht verloren gehen muss, wenn man Street Art auf großer Bühne zeigt.
Die Tattoos der Stadt verewigen die menschliche Phantasie und Kreativität. Auch wenn sie einem steten Wandel unterliegen. Doch das tun wir Menschen selbst auch. Wir altern mit unseren Tattoos, und erschaffen uns doch immer wieder neu.