From New York to Berlin
In New York kam in den 70ern der Hip-Hop auf – und mit ihm die ganzen neuen coolen Styles. Da gab es die Turnschuhe mit den großen Schnürsenkeln, getragen mit den typischen Sportanzügen. Die Hip-Hopper trugen viel Goldschmuck, übergroße Brillen und Hüte. Sie gaben sich farbenfroh, das fügte sich gut mit der neuen Graffitikunst zusammen. Graffiti an den Wänden – das war das Ding der Stunde. Mit dem Sprühen von Slogans und Grafiken konnte man der Stadt seinen eigenen Stempel aufdrücken. Die heute als „Old-School-Hip-Hop“ bezeichnete Kultur aus der Underground-Szene New Yorks schwappte schnell nach Europa über.
Erst London, dann über Amsterdam nach Berlin. Dort waren es die Punks, die jungen Migranten und die Künstler, die ihre politischen Slogans und Grafiken als Gegenkultur zu der damals vorherrschenden gesellschaftlichen Tristesse überall in der Stadt anbrachten. Filme aus den USA wie „Colors“ beeinflussten die Berliner Szene stark. Viele Minderheiten in Berlin imitierten die New Yorker Gangs. Bald gab es die ersten Gruppen, die miteinander um städtischen Raum rivalisierten.
Party und Politik
Die Wände Westberlins boten Identitäten. In Berlin gab es keine Sperrstunde. Die Stadt bot den künstlerischen Underdogs einzigartige Möglichkeiten der Entfaltung. West-Berlin war ein Sammelbecken. Wer hier gemeldet war, konnte nicht eingezogen werden. Immer wieder kamen Leute aus dem Ausland, wie David Bowie, die neugierig auf das Leben in der geteilten Stadt waren. Ein „Melting Pot“. In Clubs, die damals noch Diskotheken hießen, wie dem „Park“ gab es psychedelische und punkig-wavige Musik bis zum Morgengrauen. Zu den Parties gehörten aber auch politische Diskussionen. Die RAF-Prozesse und die Hausbesetzerszene waren ständiges Thema in Berlin. Das alles spiegelte sich auf den Graffiti der Stadt wider und wurde so immer mehr zu diskursiver Streetart.
Die Mauer
Auch die Mauer trug ihren Teil dazu bei, Graffitkunst ins Bewusstsein der Menschen zu bringen.
Die westliche Seite der Mauer war eine Leinwand utopisch-dystopischer Stadtkultur. Es galt, durch Streetart die Stadt zurückzuerobern.
Thierry Noir und Keith Haring gehörten zu den bekanntesten Künstlern an der Mauer. Viele Werke wurden binnen Stunden von anderen übermalt und gelegentlich waren es auch die Grenztruppen, die die Mauer wieder weiß strichen. Doch sie unternahmen fast nichts gegen die Sprayer, die so von der Entspannungspolitik profitierten. Die echte Mauerkunst ist weitgehend verloren. Der Abriss und die vielen „Mauerspechte“ haben das meiste vernichtet. Am Potsdamer Platz gibt es noch ein kleines Mauerstück, das von Künstlern bemalt wurde.
Moderne Streetart
Heute hat sich in Westberlin Streetart aus dem politischen Abseits wegbegeben und damit auch aus der Illegalität. Heute stellt sich die Frage, wie öffentlicher Raum aussehen soll, wer ihn bespielt und wie er zu nutzen ist. Das ist das Thema: Wem gehört die Fassade? Gehört sie den Bewohnern, gehört sie dem Architekten, der das Urheberrecht hat oder gehört sie den Passanten auf der Straße? Schlussendlich bleibt: Sie gehört allen. Die Wände der Stadt sind ein Gemeinschaftseigentum.
Und da spielt Street-Art als Ausdrucksmittel der Kreativen in ihrem Quartier natürlich eine große, gestalterische Rolle.