Kolumne von Dirk-Boris Rödel
Also es ist so: Ich würde im nächsten Monat gern den Mount Everest besteigen, ich denk, das wäre eine gute Aktion, und so ein Bild vom Gipfel würde sich prächtig auf meinem Instagram-Account machen. An meinem Geburtstag lasse ich mich nicht lumpen und plane für meine Freunde zu kochen, ein fünf-Gänge-Menü, das Tim Mälzer grün vor Neid werden lässt. Und danach ist auch schon bald Sommer, da wird’s Zeit für die ganzen Sportwettbewerbe, bei denen ich gern in verschiedensten Disziplinen antreten und Medaillen abräumen würde. In den Ferien wäre mal ein bisschen was besonderes und ausgefallenes ganz schön, mit dem Fahrrad zum Nordkap oder so. Toll, oder?
Nun wird natürlich jeder sagen, tolle Pläne, aber kannst du das überhaupt umsetzen? Hört sich ganz schön verwegen an, das packst du doch gar nicht! Und dann müsste ich zugeben, dass ich wahrscheinlich noch nicht mal den Feldberg im Schwarzwald hoch komm, beim Kochen das Wasser anbrennen lassen würde, wenn das ginge, und die meiste Zeit im Fitnessstudio in der Sauna verbringe. Also aus all diesen tollen Plänen wird nix werden, leider leider. Ist ja auch jedem klar, der mich halbwegs kennt.
Nur frage ich mich aber, warum kommen manche Tätowierer mit ähnlich absurden Ankündigungen durch, die kein Mensch anzweifelt oder hinterfragt? Was ich konkret meine; die Wanna-dos, die einige Tätowierer großspurig anbieten sind zwar das, was sie gerne stechen würden – aber eben leider oft nicht das, was sie tatsächlich stechen können. Aber da kommt kaum mal jemand auf die Idee, abzugleichen, ob die Porträts, die Black and Grey-Kompositionen oder Watercolour-Designs, die ein Tätowierer auf seinen Seiten oder auf Conventions als Wunschmotive präsentiert, die er gern mal stechen würde, auch dem Level entsprechen, auf dem er tatsächlich tätowieren kann. Klar, sehr oft ist das der Fall – aber sehr oft eben auch nicht.
Wie bekommt man’s raus? Ganz einfach: Nicht die Wanna-dos geben Auskunft darüber, wie gut ein Tätowierer sticht, sondern die Fotos seiner tatsächlichen Arbeiten. Im Sport bekomme ich ja die Medaille auch nicht dann, wenn ich die hundert Meter unter 10 Sekunden laufen möchte, sondern dann, wenn ich das wirklich schaffe. Und wenn man sich anschaut, was manche gerne tätowieren würden und was sie aber tatsächlich tätowieren, dann sieht man bei einigen relativ schnell, dass sie ihre technischen Fähigkeiten gehörig überschätzen und vielleicht erst mal noch ein paar Jahre Sternchen und Unendlichkeitsschleifen tätowieren sollten.
Es ist natürlich nicht verkehrt, sich ehrgeizige Ziele zu stecken, aber man sollte schon auch abschätzen, was passiert, wenn’s schief geht. Wenn ich mein fünf-Gänge-Menü in den Sand setze, muss ich meinen Geburtstagsgästen halt Pizza bestellen, das kann ich schon verkraften. Aber wenn ein Tätowierer ein Wanna-do verkackt, weil er es technisch einfach nicht drauf hat, dann zahlt der Kunde eben den Preis für dessen übersteigerte Selbsteinschätzung.
Meine Selbsteinschätzung ist glaube ich ganz in Ordnung, darum probier ich gar nicht erst, einen auf Jamie Oliver oder Gordon Ramsay zu machen, was mir meine Freunde sicher danken. Aber da einige Tätowierer ganz offenbar Defizite darin aufweisen, ihren Anspruch und ihr wahres Können objektiv miteinander abzugleichen, bleibt euch als Kunden nur eins: selber nachschauen, ob der auch wirklich abliefern kann, was er anbietet!
(Text: Dirk-Boris Rödel/ Grafik: Jonas Bachmann)